Δευτέρα 17 Οκτωβρίου 2011

Το Spiegel on line έχει συνέντευξη με τον γιατρό Δημ. Αντωνίου, του οποίου η μήνυση κατά των πολιτικών για εσχάτη προδοσία, έφτασε στη Βουλή αλλά τα ΜΜΕ την αποσιωπούν.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,791271,00.html


Gegner der Finanzhilfen: Ein Grieche verklagt Griechenland

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Dimitris Antoniou hat Griechenlands gesamte politische Führungsschicht angezeigt. Ihre Zustimmung zu Reformen im Gegenzug für Finanzhilfen hält der Chirurg für Hochverrat und "Versklavung". Solche Thesen stoßen im Land auf wachsende Zustimmung.
Am Ende des Abends, als sich die Wogen des Gesprächs gerade geglättet haben, macht man den Fehler, Horst Reichenbach zu erwähnen. Jenen Deutschen, der Griechenland im Auftrag der EU bei Wirtschaftsreformen helfen soll. Da explodiert Dimitris Antoniou auf seiner Terrasse mit Meerblick erneut. "Er hat kein Recht, hier zu sein", wettert er, "und ich hoffe, dass er eines Tages dafür bezahlen wird".

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Eines ist Doktor Dimitris Antoniou - groß, athletisch, Halbglatze - sicher nicht: konfliktscheu. Der Arzt aus dem südgriechischen Küstenort Chalkida hat den Staatspräsidenten, den Premier, die Regierung und sämtliche Parlamentsabgeordneten der Regierungspartei Pasok angezeigt. Ihnen allen wirft er Hochverrat vor, weil sie im Mai 2010 Finanzhilfen für Griechenland zustimmten. Die gesamte Opposition hat Antoniou ebenfalls angezeigt - weil sie nicht aus Protest zurücktrat. Antoniou ist das Gegenstück zu jenen deutschen Professoren, die in Karlsruhe vergeblich gegen den Euro-Rettungsschirm klagten. Sie wollen nicht, dass Deutschland Griechenland hilft. Antoniou will nicht, dass sein Land sich helfen lässt.
"Ich habe schon allerhand Klagen eingereicht", erzählt Antoniou, während seine Frau griechische Spezialitäten serviert. "Ich habe schon hohe Richter angezeigt. Sogar der Vizepräsident des Verfassungsgerichts wollte mich kennenlernen." Antoniou hat auch Arbeitgeber verklagt, die ihn nicht einstellen wollten, und Banken, die ihm angeblich unfaire Kredite andrehten. Die Institute hätten ihn ebenfalls eingeladen - und um Gnade gefleht. "Die haben geweint!"
Sehr vergnügt erzählt Antoniou das - und ziemlich stolz. Über seine selbstformulierte Strafanzeige sagt er, sie sei "sehr gut, fast perfekt". Seinen britischen Abschluss als Chirurg nennt er, "die größte Auszeichnung für Chirurgen weltweit". Begeistert zeigt Antoniou ein Video, auf dem er dem Staatspräsidenten mit dem Galgen droht - was ihm eine Nacht im Gefängnis einbrachte. "Ich habe keine Waffen. Wenn ich welche hätte, würde ich die erledigen."
Seine Anzeigen nahmen die erste juristische Hürde
Man könnte den Arzt als eitlen Querulanten abtun. Doch seine Anzeigen hatten immerhin genügend Gewicht, um die erste juristische Hürde zu nehmen: Die Athener Staatsanwaltschaft hat sie kürzlich ans griechische Parlament weitergeleitet. Betreffen Strafanzeigen Politiker, dann müssen die Parlamentarier laut griechischer Verfassung über sich selbst richten.
Zwar gilt es als eher unwahrscheinlich, dass ein Untersuchungsausschuss zustande kommt, den ein Zehntel der 300 Abgeordneten fordern müsste. Doch für Antoniou steht das Urteil ohnehin fest: "Mit diesem Vertrag haben wir unsere Souveränität für ein angebliches wirtschaftliches Problem aufgegeben."
Er schleppt einen Papierstapel herbei: Das Memorandum, in dem die Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds Griechenland detaillierte Reformen diktiert, und der Kreditvertrag, mit dem das griechische Parlament dies absegnete. Im Vertrag heißt es: "Der Darlehensnehmer verzichtet hiermit unwiderruflich und bedingungslos auf die ihm zustehende oder eventuell in Zukunft zustehende Immunität in Bezug auf ihn selbst oder seine Vermögenswerte."
Die Konsequenz ist für Antoniou eindeutig. "Wenn wir unsere Raten nicht bezahlen, kann Deutschland als Anführer der Troika kommen und alle unsere Vermögenswerte beschlagnahmen." Auch Kulturbesitz sei nicht geschützt, ruft er. "Noch nicht einmal die Akropolis!"
War der Souveränitätsverlust vermeidbar?
So überspannt die Idee einer beschlagnahmten Akropolis sein mag: Dass Griechenland einen Teil seiner Eigenständigkeit verloren hat, ist unbestritten. "Die Souveränität der Griechen wird massiv eingeschränkt", sagte Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker dem "Focus", als Anfang Juli ein zweites Hilfspaket verabschiedet wurde.
Die Frage ist nur, ob der Souveränitätsverlust vermeidbar war. Schließlich bürgt der Rest der EU mit dreistelligen Milliardensummen für Griechenland, obwohl ein solcher Schritt zur Haftungsunion bislang stets ausgeschlossen wurde.
Europa betritt juristisches Neuland und schließt dabei Abkommen, die nicht nur den Griechen Angst machen: In Deutschland sorgte kürzlich der Vertragsentwurf für den Euro-Rettungsschirm ESM für Aufsehen. Darin verpflichten sich die Euro-Länder "bedingungslos und unwiderruflich", den ESM mit Kapital auszustatten und sichern ihm und seinen Vermögenswerten "umfassende gerichtliche Immunität" zu. Nicht nur Griechenland tritt also Rechte ab, sondern auch seine Helfer.
Dennoch kommen Antonious Kampfreden an. Auf dem Athener Syntagma-Platz hat er sie genauso gehalten wie im Fernsehen, auf seiner Facebook-Seite sammelte er innerhalb eines Jahres 3500 Anhänger. Nicht nur die Opposition, sondern auch immer mehr griechische Intellektuelle lehnen die Reformen ab, weil sie die Lage nur verschlimmerten. Der in London lehrende Ökonom Costas Lapavitsas schrieb im "Guardian", Grund für die Misere sei "eindeutig das Programm der Troika". Diese habe Griechenland "in ihrer Weisheit scharfe Sparauflagen und Deregulierung aufgezwungen, was der neoliberalen Ideologie der EU entspricht".
Ursache und Wirkung würden verwechselt, widerspricht ein Jurist
Wurde Griechenland also verraten und verkauft? Der Athener Verfassungsrechtler Yiannis Drossos widerspricht. Er schreibt in einem Papier für die Harvard Law School, zweifellos würden sich die Gläubiger in einer Weise einmischen "die weder gewünscht noch toleriert war. Die Verfassung kann also nicht unsere Entscheidungsfreiheit schützen". Doch das Ausland habe auch darauf gedrungen, die Reformen von Verfassungsorganen wie dem Parlament genehmigen zu lassen. Deshalb hätten die Maßnahmen "zugleich die Essenz unserer Verfassungsstrukturen zerstört und ihre Form gestärkt".
Seine Landsleute würden Ursache und Wirkung verwechseln, kritisiert Drossos. Nicht die Maßnahmen seien das Problem, sondern der Lebensstil, der sie notwendig machte. Im Widerstand gegen die Reformen vermische sich zudem linke Kritik an den vermeintlichen Imperialisten von EU und IWF mit "unserem gekränkten Nationalismus".
Verletzter Stolz zeigt sich im Laufe des Abends auch bei Antoniou. Der Doktor, der ein Zweitstudium der Philosophie in England abschloss, verehrt Hegel, Kant und Goethe. "Sie alle haben die griechische Antike bewundert", sagt er und wird gleich wieder dramatisch: "Diese Kultur ist durch den Kreditvertrag ausgelöscht worden." Später erzählt Antoniou, sein Vater sei Kriegsversehrter. Wie viele Griechen will er nicht akzeptieren, dass Deutsche nun in einem Land mitbestimmen, dem sie bis heute keine Reparationen für den Zweiten Weltkrieg zahlten.
Aber nicht nur Nationalstolz treibt Antoniou an. Sein Leben wirkt rastlos, nach Medizin und Philosophie studiert er jetzt Kulturwissenschaften. In allen Disziplinen hat Antoniou Bücher geschrieben, für die er fast nie Verleger fand. Dreimal klagte er gegen Universitäten, die ihn angeblich wegen Vetternwirtschaft nicht einstellen wollten. Einmal habe man ihm einen 70-Jährigen vorgezogen, der bereits eine andere Stelle hatte.

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Wieso verteidigt er ein solches System? Zeigt seine Geschichte nicht, dass Griechenland die verhassten Reformen braucht? Auf einmal sagt Antoniou erstaunliche Sachen. Er habe immer bewundert, wie respektvoll Engländer ihre Arbeit verrichteten, auch wenn sie ihnen nicht gefiel. In Griechenland sei das anders. "Wir sind Orientalen: Anarchistisch, undiszipliniert, und wir fügen uns nicht ein." Natürlich müsse sich das ändern. Aber Deutschland müsse Griechenland eine echte Chance auf Wachstum bieten. "Sonst entsteht hier eine Generation von Feinden."
Da erzählt man Antoniou, dass deutsche Leser durchaus Verständnis für Griechenland äußern. Einer bat kürzlich um die Adresse von Horst Reichenbach, um ihm seine Ideen für eine Stärkung der griechischen Wirtschaft zu schicken. Als Antoniou den Namen des deutschen EU-Beamten hört, ist es mit der Völkerverständigung schnell wieder vorbei. Dennoch überreicht er zum Abschied eines seiner Bücher, versehen mit einer herzlichen Widmung. Sie beginnt mit den Worten: "In Erinnerung an unser erstes Treffen im versklavten Griechenland."
Mitarbeit: Ferry Batzoglou